Istanbul: Türkei schließt Fruchtbarkeitsklinik – wegen Terrorverdachts

2016-07-30

Der türkische Staat hat eine Klinik für Paare mit Kinderwunsch dicht gemacht. Der Leiter soll Gülen-Anhänger sein. 77 Mitarbeiter sind nun arbeitslos – und Tausende Patientenakten mit persönlichen Details verschwunden.

Doktor Aret Kamar, Experte für Fertilitätsmedizin, muss hilflos zuschauen, als am Samstagmorgen, 23. Juli, der türkische Staat plötzlich sein Lebenswerk zerstört.

Gut eine Woche nach dem gescheiterten Militärputsch tauchten Mitarbeiter des Gesundheitsamts, der Stadtverwaltung und des Finanzamts in seiner Fruchtbarkeitsklinik in Istanbul auf und erklärten ihm, dass der Betrieb ab sofort eingestellt sei und die Klinik geschlossen werde.

Kamar, Jahrgang 1967, betreibt in Istanbul eine Fruchtbarkeitsklinik, in die Paare aus der ganzen Welt kommen. Es ist ein Haus mit gutem Ruf. Nach dem Umsturzversuch war die Lage angespannt in Istanbul, auch in der Gegend um die Klinik, die nicht allzu weit vom Taksim-Platz entfernt ist.

Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte den Ausnahmezustand verhängt, aber Kamar, Direktor der Klinik, versuchte, seiner Arbeit so normal wie möglich nachzugehen. Keine Sekunde habe er daran gedacht, selbst ins Visier der Regierung zu geraten.

Aber dann war von einem Moment auf den nächsten alles aus.

„Man warf mir vor, ein Anhänger der Gülen-Bewegung zu sein“, sagt er – jener Organisation, der Erdogan vorwirft, hinter dem Putsch zu stecken. „Ich dachte im ersten Moment, da müsse ein Missverständnis vorliegen. Ich habe mit Gülen doch nichts zu tun“, sagt Kamar. „Ich bin armenischer Christ, warum soll ich eine islamische Bewegung unterstützen?“

 

Ursprung: http://www.spiegel.de/politik/ausland/tuerkei-schliesst-fruchtbarkeitsklinik-wegen-terrorverdachts-a-1105458.html